Artikel in der Fischelner Woche zum Thema Annäherung

Nr. 35, September 2017

Subjektive Wahrnehmung – sich gegenseitig besser verstehen

„Ich kann ja nicht begreifen, warum du dich so anstellst!“ Das hat so oder so ähnlich jeder von uns schon einmal gesagt oder gedacht. Oder gehört. Und das ist eine Aussage, die für den Sprechenden wahr und offensichtlich ist und für den Hörenden oft verletzend und nicht nachvollziehbar.

 

Der Kern dieses abweichenden Erlebens liegt in der unterschiedlichen Sichtweise, die jeder Mensch auf seine Umwelt und bestimmte Situationen hat.

 

Diese Sichtweise, diese subjektive Wahrnehmung, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst ist es eine Frage des Charakters. Es wird davon ausgegangen, dass es angeborene Charakterstrukturen und unterschiedliche Möglichkeiten und Fähigkeiten gibt, die dem Einzelnen innewohnen, um mit Situationen umzugehen. Darüber hinaus formt uns das Umfeld, wir erhalten von außen verschiedenste Impulse, die uns prägen und aus denen wir lernen. Das beginnt bereits in der frühesten Kindheit im engsten Familienkreis und zieht sich durch die ganze Entwicklung. In der Kindheit ist neben dem familiären das Umfeld in Kindergarten und Schule maßgeblich, es kommen Freundeskreise und berufliche Kontakte hinzu.

 

Charakter und Lebensweg ist naturgemäß bei jedem Menschen individuell. Es gibt Menschen, für die fängt die Herausforderung erst damit an, mit Rucksack und Kompass allein den Urwald zu erkunden. Für Andere ist es eine Überwindung, mit der Bahn in die Stadt zu fahren und dort einzukaufen statt in Fischeln. Der Weltenbummler hat vielleicht von Anfang an neben einer günstigen genetischen Disposition immer wieder vermittelt bekommen und erfahren, dass er Dinge schaffen kann, dass sie gelingen und dass es zu einem guten Ausgang kommt. Der Zurückhaltende hat die Welt möglicherweise oft anders erlebt: Wenig Vertrauen Anderer in seine Fähigkeiten, wenig Unterstützung und Ermutigung und entsprechend weniger positive Erfahrungen. Dies in Kombination mit einer introvertierten Charakterstruktur schaffen ganz andere, ungünstigere Lebens- und Erlebensoptionen.

 

Und hier kann jeder für sich den Kontakt mit Anderen ein bisschen besser gestalten: Der Gedanke, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat, und dass dasselbe Päckchen für das Gegenüber viel schwerer sein kann, verhilft zu besserem Verständnis und Annährung untereinander.